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Mach dir ein Bild von der Welt

Jährlich treffen sich Unternehmerinnen der verschiedensten Branchen auf einer internen Convention, um in Workshops und Open-Space-Gesprächen Fragen zu klären und neue Impulse zu bekommen. Diesmal kamen wir am ersten Maiwochenende in Berlin zu unserem 10. Treffen zusammen. Wir trafen uns in der Weiberwirtschaft, die inmitten des alten Brunnenstraßenkiezes liegt. Auch ich gab einen Workshop, der sich abseits der Businessthemen um ein künstlerisches Angebot drehte: Mach dir ein Bild von der Welt.

Angesichts der Altbauten und Hinterhöfe, die rund um die Weiberwirtschaft zu sehen sind, wollte ich Urban Sketching (Stadtzeichnen) anbieten. Ich zeichne sehr gern das, was um mich herum ist. In der Regel sind die Teilnehmerinnen aber meist weniger zeichenaffin. Daher wollte ich ihnen verschiedene Möglichkeiten bieten, auf dem leeren Blatt Papier einen Anfang zu setzen, an dem sie sich weiterhangeln können.

Als erstes stellte ich ihnen den Sucher vor. Der Sucher ist ein kleines Fenster aus festem Karton, das schnell selbst hergestellt ist. Einfach den kleinen Karton in der Mitte einmal falten und dann zwei parallele Schnitte mit der Schere schneiden. Dadurch legt man die Rahmenbreite des Motivsuchers fest. Anschließend wird das Rechteck ausgeschnitten und fertig ist der Motivsucher. Schaut man sich die Umgebung durch den Sucher an, hat sie einen Anfang und ein Ende. Das erleichtert den ersten Strich, denn durch den Sucher teile ich mir mein potentielles Motiv ein und überprüfe es auch auf seine Wirkung hin.

Der zweite Tipp von mir war die Gestaltung mit Stempeln. Eine Stadtlandschaft besteht zum größten Teil aus geometrischen Formen. Meine Überlegung war, dass ich mit Stempeln diese Formen aufs Papier setze. Dann ist schon etwas platziert, worauf ich anschließend die Details zeichnerisch und malerisch hinzufügen kann. Ich hatte im Atelier Stempel aus Holz und Moosgummi vorbereitet, mit denen ich diese Formen auf das Blatt übertragen kann: Quadrate, Rechtecke, Dreiecke, Balken… Teilweise habe ich mit einem Stift Formen in die Oberfläche des Moosgummis geritzt, wodurch sich der Abdruck verändert.

Setzt man nun mit dem Stempel eine erste farbige Fläche aufs Papier, hat man seinem Bild eine Richtung vorgegeben. An diese können sich weitere gestempelte Farbflächen anlehnen. Aber es können auch mit Blei- und Farbstiften, Pinsel oder Finelinern die Flächen weiterbearbeitet werden. Architektonische Details wie z.B. Ornamente, Ziegelsteine, Fenster o.ä. werden eingezeichnet und immer wieder mit der Stempelfläche in Verbindung gebracht. Für das Weiterentwickeln der Stempelflächen hatte ich viele verschiedene wasserlösliche Aquarell- und Tuschestifte, Wassertankpinsel, Graphitstifte, Ölkreiden, Brushpens und Fineliner mitgebracht, damit jede das richtige Material für ihr Bild findet.

Die Stempel machten das Rennen. Hat man ja auch nicht täglich dabei. So saßen wir gemütlich im sonnigen, ruhigen Innenhof der Weiberwirtschaft und probierten eine Stunde lang, unsere Eindrücke aufs Papier zu übertragen. Die Stempel-Methode, die hier Premiere hatte, hat die Teilnehmerinnen und mich sehr begeistert. Alle überwanden den Anfang ohne Schwierigkeiten, die sich sonst beim ersten Urban Sketching in den Vordergrund drängen. Es wurde beherzt gestempelt, gezeichnet, neues Material (Stifte etc.)  entdeckt und Kompositionen überdacht. Am Ende des Workshops hatten wir wunderbare Ergebnisse, die den unverwechselbaren Stil jeder Teilnehmerin zeigen.

Ätzende Kolleginnen

Der Titel ist natürlich nur im drucktechnischen Sinne gemeint: Letzten Herbst haben meine Bremer Kollegin Daniela Revink und ich uns für zwei Tage in der BBK-Druckwerkstatt in Bethanien eingemietet, um alte und neue Radierungen zu bearbeiten. Wir waren ja schon im vergangenen April zu einem Auffrischungskurs bei Gloria Alonso González gewesen. Nun ging es darum, unser Wissen zu verfeinern.

Durch Zufall wurden wir auf die Schätze in der Restetonne aufmerksam. Manche Streifen und Platten hatten schon Kratzer oder waren sogar schon geätzt worden. Andere besaßen noch den Abdecklack mit Abschabungen, die sich ein Streifen in der Tonne holen kann. Daniela kam auf die Idee, einen Streifen mit der Blechschere in verschiedene Formate zu schneiden. Anschließend bearbeitete sie beide Platten noch einmal mit der Radiernadel und versenkte sie dann in der Säure. Leider war die Säure nicht ganz so knackig wie gewohnt, sodass einige unserer Ätzungen nachher recht blass wirkten. Aber wenn man es weiß, lässt man sie halt einfach länger darin liegen.

Für partielles Ätzen kreierte Daniela einen innovativen Säurepinsel aus einem Wattebausch und einem Ohrenstäbchen, da normale Pinsel in der Säure relativ schnell kaputtgehen. Mit dem Pinsel trug sie die Säure nur auf bestimmte Partien auf, um sie zu verstärken. Anschließend wurden einige davon noch ins Vollbad gelegt.

Ich arbeitete weiter mit dem Vernis-mou-Verfahren, einer Weichgrundätzung, bei der die Platte mit einem sehr weichen Ätzgrund eingerieben wird. Anschließend wird vorsichtig ein Seiden- oder Butterbrotpapier darüber fixiert. Und nun am besten nicht mit den Fingern oben darauf abstützen, denn dieser Abdruck wäre – ähnlich wie bei der Monotypie – sofort auf der Platte sichtbar.

Danach zeichne ich mit einem Graphit- oder anderem Stift auf das Papier. Dort, wo das Papier die Ätzgrundschicht berührt, nimmt es sie von der Platte ab. Ist die Zeichnung fertig, kann ich noch etwas Strukturiertes wie z.B. Gaze in die Schicht eindrücken und lege dann die Platte in die Säure. Tatsächlich hält die weiche Schicht die Säure ab, sich in die Platte zu „fressen“. Nur dort, wo die Linien freigelegt wurden, kann sie sich einätzen. Mir gefällt an dieser Technik, dass ich wirklich mit dem Stift zeichnen kann. Das Sperrige einer Ätzradierung, bei der man den Abdecklack mit der Radiernadel freilegt, gibt’s hier nicht.

Bei der Kleinen Schwester können kurzfristig auftretende Hunger- und Durstgefühle sofort befriedigt werden. Das ist immer gut, um anschließend gut weiterarbeiten zu können.

Als nächstes will ich versuchen, die Vernis-mou-Radierung mit der Aquatinta zu verbinden. Mal sehen, wie das ausschaut.